Nationallizenz

Unter einer Nationallizenz versteht man den Erwerb von Zugriffsrechten auf ein kostenpflichtiges Online-Angebot (Datenbanken, E-Books, E-Journals) für die Bürger oder Wissenschaftler eines Staates.

Nationallizenzen nach Ländern

Deutschland

Im Herbst 2004 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erstmals Sondermittel in Höhe von rund 5,9 Millionen Euro[1] für den Erwerb von Nationallizenzen für große, möglichst abgeschlossene Online-Datenbanken aus dem Bereich Geistes- und Kulturwissenschaften bereitgestellt. Dieser erste Abschnitt umfasste 18 Datenbanken und abgeschlossene Textsammlungen hauptsächlich aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich. Ihr Ankauf wurde von den folgenden vier Forschungs- und Universitätsbibliotheken organisiert:

Diese Datenbanken stehen allen vorwiegend öffentlich geförderten Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Die Freischaltung läuft mittels IP-Nummernkreis. Seit Mai 2005 können für wissenschaftliche Zwecke diejenigen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht über eine wissenschaftliche Bibliothek Zugang zu den Datenbanken haben, bei den dafür vorgesehenen Universitätsbibliotheken individuelle Zugänge beantragen, soweit die Verträge mit den Datenbankanbietern dies zulassen. Dieser Zugang erfolgt dann mittels Benutzernamen und Passwort über einen Proxy-Server. Die Kosten für einzelne Angebote sind nicht bekannt; nur die Ausgaben pro Jahr werden veröffentlicht.[2]

Seit Juni 2006 stehen die Datenbanken der zweiten Verhandlungsrunde zur Verfügung. Diesmal kamen viele Volltextangebote wie E-Books und die Volltextversion des Periodical Contents Index (PAO) hinzu. In der zweiten Runde wurden insgesamt 21,5 Millionen Euro ausgegeben.[3] Außerdem wurden die Naturwissenschaften stärker berücksichtigt, so stehen Zeitschriftenarchive des Springer-Verlags (1860–2000) und von Elsevier (1934–1994) zur Verfügung. Für viele besteht zurzeit jedoch kein Zugang für Privatnutzer.

Insgesamt stehen nun 134 Datenbanken mittels der Nationallizenzen zur Verfügung.[4] Erworben wurde ein unbegrenztes Zugriffsrecht. Zur Langzeitarchivierung werden die Daten auf physikalischen Datenträgern von den Anbietern zur Verfügung gestellt. Der Zugriff erfolgt jedoch zunächst über die technische Infrastruktur der Datenbankanbieter. Ebenfalls werden Metadaten über die enthaltenen Werke und Artikel bereitgestellt, damit diese in die Portale der Bibliotheksverbünde und in überregionale Literaturnachweisen wie z. B. Virtuelle Fachbibliotheken aufgenommen werden können.

Am 10. Mai 2007 wurde ein einheitlicher Zugang für Privatnutzer freigeschaltet, diese brauchen sich nicht mehr bei den einzelnen Bibliotheken anzumelden.

Das DFG Programm der Nationallizenzen „Classics“ wurde bis 2010 fortgeführt. Insgesamt wurden in diesem Förderprogramm für mehr als 100 Mio. Euro über 140 Nationallizenzen erworben und können nun dauerhaft genutzt werden.[5] Seit 2011 wurde das Förderprogramm Nationallizenzen „Classics“ durch das der Allianz-Lizenzen ersetzt. Es werden aber auch weiterhin neue Angebote für Einzelnutzer bereitgestellt.

Schweiz

Seit 2012 gibt es Nationallizenzen für Bürger, die einen ständigen Wohnsitz in der Schweiz haben. Das Angebot begann mit der Zeitschrift Cell. Das Projekt wurde in den folgenden Jahren schrittweise erweitert. Im Jahr 2016 wurden über 2 Millionen wissenschaftliche Artikel aus allen Fachgebieten von Cambridge University Press, De Gruyter und Oxford University Press lizenziert.[6] Weiterhin gibt es seitdem einen landesweiten Zugriff auf die Cochrane Library.[7] 2017 wurde das Angebot auf über 6 Millionen Aufsätze erweitert; neu hinzu kamen die Angebote von Springer Nature. Es gibt eine Moving Wall von fünf Jahren ab der Veröffentlichung. Zugang und Registrierung erfolgen über swissbib.[8]

Katar

Im November 2013 wurde bekannt, dass der Springer-Verlag mit der Nationalbibliothek von Katar einen Vertrag über die Nutzung von E-Books und elektronischen Zeitschriften abgeschlossen hat. Die Bewohner von Katar können aufgrund dieser Nationallizenz auf die Datenbank SpringerLink zugreifen.[9]

Polen

Im Juni 2019 wurde eine Nationallizenz mit dem Verlag Elsevier abgeschlossen, der den Zugang polnischer Forschungseinrichtungen zu den Portalen und Datenbanken ScienceDirect, SciVal und Scopus für drei Jahre regelt.[10]

Ungarn

Nach dem Vorbild der im Juni 2019 vorangegangenen Einigung zwischen Elsevier und polnischen Einrichtungen[10] kam es Ende Oktober 2019 zu einer ähnlichen Vereinbarung des EISZ-Konsortiums in Ungarn über den Zugang von Forschungsinstituten zu ScienceDirect, SciVal und Scopus für drei Jahre. Der Vertrag enthält auch eine Komponente zu Open-Access-Veröffentlichungen ohne zusätzliche Kosten (Article Processing Charges, APCs).[11]

Literatur

  • Margot Wiesner: Fachdatenbanken im deutschlandweiten Zugriff. Die Umsetzung eines Nationallizenz-Modells. In: 95. Deutscher Bibliothekartag in Dresden 2006. Netzwerk Bibliothek. Konferenzpapier, Klostermann, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-465-03524-4.
  • Nationallizenzen: Konzept, Umsetzung und Perspektiven eines Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Lizenzierung von digitalen Textsammlungen für den Wissenschaftsstandort Deutschland. 10 Fragen von Bruno Bauer an Berndt Dugall, Direktor der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Vertreter einer der neun den Ankauf der Nationallizenzen organisierenden Informationseinrichtungen. In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 2007; 7(2): Doc 31 (PDF).
  • Reinhard Rutz: Nationallizenzen aus Sicht und im Förderspektrum der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG): Grundlagen und Einbindung in die Förderstrukturen. In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 2007; 7(2): Doc 32 (PDF).
  • Bruno Bauer: Nationallizenzen – ein Desiderat in Österreich. In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 2007; 7(2): Doc 33 (PDF).
  • Susanne Göttker, Wolfram Neubauer: Braucht die Schweiz Nationallizenzen? In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 2007; 7(2): Doc 34 (PDF).
  • Martin Scheuplein, Evelinde Hutzler: Nachweis von Nationallizenzen in der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) und im Datenbank-Infosystem (DBIS). In: GMS Medizin – Bibliothek – Information 2007; 7(2): Doc 35 (PDF).

Weblinks

  • Nationallizenzen in Deutschland
    • Offizielle Webpräsenz Nationallizenzen
    • Liste von Datenbanken mit Nationallizenz
    • Nationallizenzen-Suchkiste – zur Recherche über einen Teil der Nationallizenz-Bestände
    • OLPE-OPEN der STM-Anteil der über die personengebundene Nationallizenz zugänglichen Journals sowie sehr vieler Hybriden und Open Access Journale, alphabetisch und thematisch erschlossen.
  • Nationallizenzen in der Schweiz

Einzelnachweise

  1. Nationallizenzen für Datenbanken. Pressemitteilung Nr. 21 der DFG vom 19. Mai 2005.
  2. Barbara Kerneck: Lizenzen für Fachliteratur gekauft: Freie Nutzung auf dem eigenen PC. In: Die Tageszeitung: taz. 19. Juni 2009, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 22. Januar 2018]). 
  3. Grundlegende Verbesserung der Informationsversorgung. Nationallizenzen für Datenbanken, E-Books und Zeitschriftenarchive. In: UB Forum. Magazin für Nutzer der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau. 2 Schwerpunkt Nationallizenzen, 2006, S. 3–8 (uni-freiburg.de [PDF; abgerufen am 2. August 2006]). 
  4. Nationallizenzen – Angebote. Abgerufen am 2. Juni 2011 (nationallizenzen.de). 
  5. Nationallizenzen – Nationallizenzen "Classics". Abgerufen am 1. März 2016 (nationallizenzen.de). 
  6. Zugriff auf über zwei Millionen wissenschaftliche Zeitschriftenartikel. In: swissbib-info. 22. Dezember 2016, abgerufen am 22. Januar 2018. 
  7. N. von Lutterotti: Freier Zugang zur Wissenschaftsliteratur. In: Neue Zürcher Zeitung, Forschung und Technik, 3. Juni 2016, Seite 58.
  8. Was ist neu in swissbib ? In: swissbib-info. 7. Dezember 2017, abgerufen am 22. Januar 2018. 
  9. Springers E-Medien für Qatar. In: Börsenblatt. 4. November 2013. Abgerufen am 4. November 2013.
  10. a b Zugang zu Forschungsliteratur: Elsevier vereinbart Nationallizenz in Polen. In: Börsenblatt. 3. Juni 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019. 
  11. Forschungszugang und Open Access: Ungarn und Elsevier einigen sich auf Pilotlizenz. In: Börsenblatt. 31. Oktober 2019, abgerufen am 31. Oktober 2019.