Endliche Menge

In der Mengenlehre, einem Teilgebiet der Mathematik, ist eine endliche Menge eine Menge mit endlich vielen Elementen. So ist beispielsweise die Menge

M = { 4 , 6 , 2 , 8 } {\displaystyle M\,=\,\{4,6,2,8\}}

eine endliche Menge mit vier Elementen. Die leere Menge hat gemäß ihrer Definition keine Elemente, d. h. die Anzahl der Elemente ist 0 {\displaystyle 0} , sie gilt daher auch als endliche Menge. Die Mächtigkeit oder Kardinalität, geschrieben | M | {\displaystyle |M|} für eine Menge M {\displaystyle M} , einer endlichen Menge wird mit einer natürlichen Zahl (unter Einbeziehung der Null) identifiziert. Beispielsweise schreibt man dann | M | = 4 {\displaystyle |M|=4} , um auszudrücken, dass M {\displaystyle M} aus vier Elementen besteht.

Eine Menge, die nicht endlich ist, wird als unendliche Menge bezeichnet.

Definition

Die durch die roten Pfeile angedeutete Bijektion f {\displaystyle f} zeigt | M | = | M 4 | {\displaystyle |M|=|M_{4}|} und somit die Endlichkeit von M {\displaystyle M}

Eine Menge M {\displaystyle M} heißt endlich, wenn es eine natürliche Zahl n {\displaystyle n} gibt, sodass eine Bijektion (eine Eins-zu-eins-Zuordnung)

f : M N n := { m N 0 m < n } = { 0 , 1 , 2 , 3 , , n 1 } {\displaystyle f\colon M\rightarrow N_{n}\quad :=\{m\in \mathbb {N} _{0}\,\mid \,m<n\}\;=\;\{0,1,2,3,\dotsc ,n-1\}}

zwischen M {\displaystyle M} und der Menge N n {\displaystyle N_{n}} aller natürlichen Zahlen kleiner als n {\displaystyle n} existiert.

Insbesondere ist die leere Menge := { } {\displaystyle \emptyset :=\{\}} endlich, da eine Bijektion zwischen {\displaystyle \emptyset } und der leeren Menge N 0 {\displaystyle N_{0}} (alle natürlichen Zahlen kleiner als 0 {\displaystyle 0} , solche existieren nicht) trivialerweise existiert.

So ist zum Beispiel die Menge

M = { 4 , 6 , 2 , 8 } {\displaystyle M\,=\,\{4,6,2,8\}}

endlich, da eine Bijektion zur Menge

N 4 = { 0 , 1 , 2 , 3 } {\displaystyle N_{4}\,=\,\{0,1,2,3\}}

existiert, siehe etwa nebenstehende Abbildung.

Bei dieser aufzählenden Mengennotation kommt es auf die Reihenfolge nicht an. Ferner wird ein mehrfach genanntes Element nur einmal mit einbezogen. Es ist also beispielsweise

M = { 4 , 6 , 2 , 8 } = { 2 , 4 , 6 , 8 } = { 4 , 8 , 6 , 2 , 6 , 8 } = { 4 , 8 , 6 , 2 , 6 , 4 , 6 , 4 , 6 , 4 , 6 , 4 , } {\displaystyle M\,=\,\{4,6,2,8\}\,=\,\{2,4,6,8\}\,=\,\{4,8,6,2,6,8\}\,=\,\{4,8,6,2,6,4,6,4,6,4,6,4,\dotsc \}} .[1]

Für die Menge aller natürlichen Zahlen

N 0 = { 0 , 1 , 2 , 3 , } {\displaystyle \mathbb {N} _{0}=\{0,1,2,3,\dotsc \}}

existiert hingegen keine solche Bijektion auf eine endliche Menge, die Menge N 0 {\displaystyle \mathbb {N} _{0}} ist daher unendlich.

Grundlegende Eigenschaften endlicher Mengen

  • Jede Teilmenge einer endlichen Menge A {\displaystyle A} ist ebenfalls endlich.
  • Ist insbesondere A {\displaystyle A} eine endliche Menge und B {\displaystyle B} eine beliebige Menge, dann sind sowohl die Schnittmenge A B {\displaystyle A\cap B} als auch die Differenzmenge A B {\displaystyle A\setminus B} endliche Mengen, denn beides sind Teilmengen von A {\displaystyle A} .
  • Sind A , B {\displaystyle A,B} endliche Mengen, so ist auch ihre Vereinigungsmenge A B {\displaystyle A\cup B} endlich. Für ihre Mächtigkeit gilt
        | A B | = | A | + | B | | A B | {\displaystyle |A\cup B|=|A|+|B|-|A\cap B|} .
    Sind A {\displaystyle A} und B {\displaystyle B} endlich und disjunkt, also A B = , {\displaystyle A\cap B=\emptyset ,} so hat man
        | A B | = | A | + | B | = | A ˙ B | {\displaystyle |A\cup B|=|A|+|B|=|A\,{\dot {\cup }}\,B|} .
  • Allgemein ist eine Vereinigung endlich vieler endlicher Mengen wieder eine endliche Menge. Ihre Mächtigkeit ist durch das Prinzip von Inklusion und Exklusion gegeben.
  • Ist A {\displaystyle A} unendlich und B {\displaystyle B} endlich, so ist A B {\displaystyle A\setminus B} unendlich.
  • Die Potenzmenge P ( A ) := { U U A } {\displaystyle {\mathcal {P}}(A):=\{U\mid U\subseteq A\}} einer endlichen Menge A {\displaystyle A} hat eine höhere Mächtigkeit als die Menge selbst, ist aber immer noch endlich; es gilt | P ( A ) | = 2 | A | {\displaystyle |{\mathcal {P}}(A)|=2^{|A|}} .
  • Das kartesische Produkt A × B {\displaystyle A\times B} endlicher Mengen ist endlich. Seine Mächtigkeit ist höher als die aller beteiligter Faktoren, wenn kein Faktor leer ist und mindestens zwei Faktoren eine Mächtigkeit größer 1 {\displaystyle 1} haben. Für endliche Mengen A , B {\displaystyle A,B} gilt | A × B | = | A | | B | {\displaystyle |A\times B|=|A|\cdot |B|} . Allgemeiner ist ein kartesisches Produkt endlich vieler endlicher Mengen wieder eine endliche Menge.

Dedekind-Endlichkeit

Eine andere Unterscheidung zwischen endlichen und unendlichen Mengen stammt von Dedekind. Er definierte:

Eine Menge M {\displaystyle M} heißt endlich, wenn sie zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig ist, anderenfalls unendlich.

Man spricht heute von Dedekind-Endlichkeit bzw. Dedekind-Unendlichkeit.

Um nun zu zeigen, dass jede endliche Menge auch Dedekind-endlich ist, genügt es, Folgendes zu zeigen:

  1. Die leere Menge ist zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig.
  2. Wenn M {\displaystyle M} zu keiner echten Teilmenge gleichmächtig ist, dann ist auch M { a } {\displaystyle M\cup \{a\}} zu keiner echten Teilmenge (von sich selbst) gleichmächtig.

(Punkt 1 ist klar, da die leere Menge keine echten Teilmengen hat. Zu Punkt 2 muss man zeigen, dass man aus einer Bijektion f {\displaystyle f'} zwischen der Menge M := M { a } {\displaystyle M':=M\cup \{a\}} und einer echten Teilmenge U {\displaystyle U'} von M {\displaystyle M'} eine Bijektion f {\displaystyle f} zwischen M {\displaystyle M} und einer echten Teilmenge U {\displaystyle U} gewinnen kann.)

Umgekehrt ist jede Dedekind-endliche Menge A {\displaystyle A} auch endlich, denn wäre A {\displaystyle A} unendlich, so könnte man mit Hilfe des Auswahlaxioms eine Folge F := ( a 0 , a 1 , a 2 , ) = ( a n ) n N 0 {\displaystyle F:=(a_{0},a_{1},a_{2},\dotsc )=\left(a_{n}\right)_{n\in \mathbb {N} _{0}}} von paarweise verschiedenen Elementen a n A {\displaystyle a_{n}\in A} finden. Die Abbildung

f : A A { a 0 } , a { {\displaystyle f\colon A\rightarrow A\setminus \{a_{0}\},\quad a\mapsto {\begin{cases}\\\\\end{cases}}} a n + 1 {\displaystyle a_{n+1}}   für   a F , {\displaystyle a\in F,}   a n = a {\displaystyle a_{n}=a}
a {\displaystyle a}   für   a F {\displaystyle a\not \in F}

ist wohldefiniert, denn, wenn a F {\displaystyle a\in F} , dann gibt es ein n N 0 {\displaystyle n\in \mathbb {N} _{0}} mit a n = a {\displaystyle a_{n}=a} und dieses ist eindeutig. Sie zeigt, dass A {\displaystyle A} zur echten Teilmenge A { a 0 } {\displaystyle A\setminus \{a_{0}\}} gleichmächtig und damit nicht Dedekind-endlich ist – im Widerspruch zur Voraussetzung.

Erblich endliche Mengen

Eine Menge A {\displaystyle A} heißt erblich endlich, wenn die transitive Hülle endlich ist. Das heißt, dass nicht nur A {\displaystyle A} endlich ist, sondern auch alle Elemente aus A {\displaystyle A} endliche Mengen sind, und deren Elemente ebenfalls endliche Mengen sind, und so weiter.

Nach Definition sind alle erblich-endlichen Mengen endlich. Die Umkehrung gilt nicht, so ist etwa { N 0 } {\displaystyle \{\mathbb {N} _{0}\}} eine endliche Menge, denn sie enthält als einziges Element N 0 {\displaystyle \mathbb {N} _{0}} , aber das Element N 0 {\displaystyle \mathbb {N} _{0}} selbst ist nicht endlich.

In der abstrakten Mengenlehre werden die natürlichen Zahlen als erblich endliche Mengen eingeführt:

0 := 1 := { } = { 0 } 2 := { , { } } = { 0 , 1 } 3 := { , { } , { , { } } } = { 0 , 1 , 2 } n := { 0 , 1 , , n 1 } = N n {\displaystyle {\begin{aligned}0&:=\emptyset \\1&:=\{\emptyset \}=\{0\}\\2&:=\{\emptyset ,\{\emptyset \}\}=\{0,1\}\\3&:=\{\emptyset ,\{\emptyset \},\{\emptyset ,\{\emptyset \}\}\,\}=\{0,1,2\}\\&\vdots \\n&:=\{0,1,\dotsc ,n-1\}=N_{n}\end{aligned}}}

Damit sind die natürlichen Zahlen selbst endliche Mengen, sogar erblich endlich, und es gilt | n | = n {\displaystyle |n|=n} für jede natürliche Zahl n {\displaystyle n} , wobei hier die senkrechten Striche nicht für die Betragsfunktion stehen, sondern für die Mächtigkeit. Das ist der Grund, warum oben in der Einleitung bei der Definition der Gleichmächtigkeit die Menge { 0 , 1 , , n 1 } {\displaystyle \{0,1,\dotsc ,n-1\}} an Stelle von { 1 , 2 , , n } {\displaystyle \{1,2,\dotsc ,n\}} gewählt wurde. Letzteres wäre zwar auch richtig gewesen, aber die getroffene Wahl passt besser zur Definition der natürlichen Zahlen, wonach eine Menge die Mächtigkeit n {\displaystyle n} hat, wenn sie zu n := N n {\displaystyle n:=N_{n}} gleichmächtig ist.

Durchschnitte, Vereinigungen und Produkte erblich endlicher Mengen sind wieder erblich endlich. Die Menge aller erblich endlichen Mengen ist genau die Stufe V ω {\displaystyle V_{\omega }} der Von-Neumann-Hierarchie der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre.

Weitere Endlichkeitsbegriffe

Die Endlichkeit einer Menge lässt sich auch ordnungstheoretisch fassen. Hier ist insbesondere das auf Alfred Tarski zurückgehende Konzept der Tarski-Endlichkeit zu nennen.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Es muss also eine Vergleichsoperation {\displaystyle \equiv } geben, die in der Lage ist, 6 6 {\displaystyle 6\equiv 6} resp. 6 4 {\displaystyle 6\not \equiv 4} festzustellen.

Literatur

  • Paul R. Halmos: Naive Mengenlehre (= Moderne Mathematik in elementarer Darstellung. Bd. 6). 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-40527-8.
  • Oliver Deiser: Einführung in die Mengenlehre. Die Mengenlehre Georg Cantors und ihre Axiomatisierung durch Ernst Zermelo. 3., korrigierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-642-01444-4, doi:10.1007/978-3-642-01445-1.