Borelmaß

Ein Borel-Maß ist ein Begriff aus der Maßtheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, das sich mit verallgemeinerten Volumenbegriffen beschäftigt. Anschaulich zeichnen sich Borel-Maße dadurch aus, dass jeder Punkt in eine Menge mit endlichem Maß eingehüllt werden kann und sie auf einer speziellen σ-Algebra definiert sind. Borel-Maße bilden wichtige Grundbegriffe bei der Untersuchung von Maßen auf Topologischen Räumen. Sie sind nach Émile Borel benannt.

Bei Verwendung von Borel-Maßen ist Vorsicht geboten, da diese in der Literatur, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, nicht einheitlich definiert werden.

Definition

Gegeben sei ein Hausdorff-Raum ( X , τ ) {\displaystyle (X,\tau )} mit borelscher σ-Algebra B = σ ( τ ) {\displaystyle {\mathcal {B}}=\sigma (\tau )} . Ein Maß

μ : B [ 0 , ] {\displaystyle \mu :{\mathcal {B}}\to [0,\infty ]}

heißt ein Borel-Maß, wenn für jedes x X {\displaystyle x\in X} eine offene Umgebung U x {\displaystyle U_{x}} von x {\displaystyle x} existiert mit μ ( U x ) < {\displaystyle \mu (U_{x})<\infty } .[1]

Somit sind Borel-Maße lokal endliche Maße auf der Borelschen σ-Algebra. Ein Spezialfall hiervon ist das Lebesgue-Borel-Maß.

Weitere Bedeutungen

Der Begriff wird in der Fachliteratur nicht einheitlich verwendet[2]. Manchmal werden auch

  • das Maß auf der borelschen σ-Algebra auf R {\displaystyle \mathbb {R} } , das jedem Intervall [ a , b ] {\displaystyle [a,b]} das Maß b a {\displaystyle b-a} zuordnet

als Borelmaß bezeichnet. Das Maß im dritten Fall wird meist jedoch als Borel-Lebesgue-Maß bezeichnet.

Soweit nicht anders erwähnt bespricht dieser Artikel die Eigenschaften von Borel-Maßen in dem oben in der Definition angegebenen Sinn.

Eigenschaften

Für einen lokal kompakten Hausdorff-Raum X {\displaystyle X} ist die lokale Endlichkeit äquivalent dazu, dass jede kompakte Menge endliches Maß besitzt.

Denn ist x X {\displaystyle x\in X} , so existiert aufgrund der Lokalkompaktheit zu einer Umgebung U x {\displaystyle U_{x}} ein kompaktes K x {\displaystyle K_{x}} und eine offene Umgebung O x {\displaystyle O_{x}} von x {\displaystyle x} mit O x K x U x {\displaystyle O_{x}\subset K_{x}\subset U_{x}} . Die lokale Endlichkeit folgt nun aus der Monotonie des Maßes, es ist dann μ ( O x ) μ ( K x ) < {\displaystyle \mu (O_{x})\leq \mu (K_{x})<\infty } und O x {\displaystyle O_{x}} ist offen wie gefordert.

Umgekehrt folgt aus der lokalen Endlichkeit, dass jede kompakte Menge K {\displaystyle K} endliches Maß hat: Für x K {\displaystyle x\in K} sei O x {\displaystyle O_{x}} eine offene Umgebung von x {\displaystyle x} mit μ ( O x ) < {\displaystyle \mu (O_{x})<\infty } . Dann ist ( O x ) x K {\displaystyle (O_{x})_{x\in K}} eine offene Überdeckung von K {\displaystyle K} . Aus der Definition der Kompaktheit folgt, dass eine endliche Teilüberdeckung ( O x i ) i I , | I | < {\displaystyle (O_{x_{i}})_{i\in I},\;|I|<\infty } existiert; damit ist μ ( K ) i I μ ( O x ) < {\displaystyle \mu (K)\leq \sum _{i\in I}\mu (O_{x})<\infty } .

Diese Eigenschaft wird auch zur Definition von Borel-Maßen auf lokal kompakten Hausdorff-Räumen herangezogen, stimmt aber im allgemeinen Fall nicht mit der lokalen Endlichkeit überein.

Verwandte Konzepte

Moderate Maße

Ein Borel-Maß heißt ein moderates Maß, wenn eine Folge von offenen Mengen ( O n ) n N {\displaystyle (O_{n})_{n\in \mathbb {N} }} existiert, so dass

X = n N O n {\displaystyle X=\bigcup _{n\in \mathbb {N} }O_{n}}

ist und μ ( O n ) < {\displaystyle \mu (O_{n})<\infty } für alle n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } gilt. Moderate Maße sind insbesondere deshalb von Interesse, da für sie allgemeinere Kriterien gelten, unter denen ein Borel-Maß ein reguläres Maß ist.

Radon-Maße

Borel-Maße nennt man Radon-Maße, wenn sie von innen regulär sind, es also gilt, dass

μ ( A ) = sup { μ ( K ) K A ,   K   kompakt } {\displaystyle \mu (A)=\sup\{\mu (K)\mid K\subset A,\ K\ {\textrm {kompakt}}\}}

für alle A B {\displaystyle A\in {\mathcal {B}}} . Wie auch Borel-Maße wird die Bezeichnung "Radon-Maß" in der Literatur nicht einheitlich verwendet und sollte daher immer mit der genauen Definition im gegebenen Kontext abgeglichen werden.

Reguläre Borel-Maße

Ein Borel-Maß wird ein reguläres Borel-Maß genannt, wenn es zusätzlich noch ein Reguläres Maß ist. Somit ist jedes von außen reguläre Radon-Maß ein reguläres Borel-Maß. Da aber für jede Verwendung des Begriffs "Borel-Maß" eigene Regularitäts-Begriffe existieren, ist auch hier Vorsicht geboten und ein Abgleich mit den Definitionen im jeweiligen Kontext notwendig.

Literatur

  • Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 6., korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-89727-9, doi:10.1007/978-3-540-89728-6. 

Einzelnachweise

  1. Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. 2009, S. 313.
  2. V.V. Sazonov: Borel Measure. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org). 
  3. Lawrence C. Evans, Ronald F. Gariepy: Measure Theory and Fine Properties of Functions. CRC-Press, Boca Raton FL u. a. 1992, ISBN 0-8493-7157-0. 
  4. Eric W. Weisstein: Borel Measure. In: MathWorld (englisch).